WZ vom 6.11.2024
Text: Elvira Wrosch
Foto: Andreas Fischer
Andreas Komotzki zeigt die Ausstellung „2023 – ein Jahr in Landschaft, Licht und Farbe“
Ein Waldspaziergang durch die Zeit
Es ist wie ein Waldspaziergang durch die Zeit. Die Fotos des Künstlers Andreas Komotzki schenken Ruhe und wirken mit ihrer malerischen Unschärfe wie Traumbilder, die tief berühren. Am Sonntag lud der Fotograf gleich zu zwei Vernissagen ein, und viele kamen. Im Neuen Kunstverein Wuppertal (Hofaue 51) beginnt die Reise durch das Jahr 2023 mit den kühlen Farben des Winters und den bunt erblühten Tönen des Frühlings, während die Ausstellung in der Bergischen Kunstgenossenschaft ein paar Meter weiter mit den Grün- und Brauntönen von Sommer und Herbst fortgesetzt wird.
Der Künstler hat unzählige Momente festgehalten und auf 52 Fotos reduziert – eines für jede Woche. „Diese Reduktion war sehr zeitaufwendig“, erklärt er. „Viele Lieblingsmotive mussten raus.“ Dennoch erinnert sich der gebürtige Wuppertaler an jedes einzelne Bild. Jedes ist ein eigenständiges Werk und zusammen erzählen sie eine Geschichte.
Um die Reihenfolge zu bewahren, begann die Ausstellung um 12 Uhr mit den Winter- und Frühlingsbildern, bevor es um 13 Uhr weiter zu den Sommer- und Herbstmotiven ging. Angeleitet wurden die Besucher von Musik: der Saxophonist Matthias Kurzhals startete sein Spiel vor Kalenderwoche eins und verließ nach Woche 26 wie ein moderner Rattenfänger mit seiner Schar die Räume in Richtung Hofaue 55.
Zuvor führte die Kulturjournalistin Anne-Kathrin Reif in Komotzkis Werk ein: „Er ist jeden Tag hinausgegangen und hat fotografiert.“ Dabei habe er sich auf zwei Themen eingelassen: auf den Prozess des Eintauchens in die Natur, die ihn zu über 35 000 Fotos inspirierte, und die schwer greifbare Dimension der Zeit. In seinem Waldzyklus geht es natürlich auch um Vergänglichkeit und Erneuerung. „Er musste immer genauer hinsehen und die Natur in ihrem Wandel spüren“, so Anne-Kathrin Reif. Komotzki fängt den Jahresverlauf erzählerisch ein und zeigt die Jahreszeiten, die unser Leben prägen, im Kleinen vor unserer Haustür – im Wuppertaler Wald um die Ecke. Einen Großteil ihrer Wirkung verdanken die Fotos dabei ihrer Unwirklichkeit. „Es ist keine präzise Landschaftsfotografie“, erklärt Reif, sondern eine „Fototechnik jenseits der Schärfe“. Der Fotograf spielt mit einer malerischen Unschärfe. Die Bilder transportieren etwas von Komotzkis eigenen Naturerfahrungen und heben sich über klassische Landschaftsfotografie hinaus. Kunst, so Reif, erschöpfe sich nicht in bloßer Anschauung – und Komotzkis Bilder hätten das Potenzial, zum Nachdenken anzuregen. Sie schloss mit den Worten: „Ich sehe nun einiges mit anderen Augen.“
„Die Natur so zu sehen, ist beruhigend“
Auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Helge Lindh ließ es sich nicht nehmen, ein paar einführende Worte zu sprechen. Für ihn seien Komotzkis Bilder eine heilsame Erfahrung und eine Versöhnung mit den Jahreszeiten. Als Schüler habe er zu viele Jahreszeitengedichte lesen müssen, das Thema nun ganz anders aufbereitet zusehen, begeistere ihn. „Mit seinen Bildern will Andreas Komotzki Grenzen und Referenzräume von Natur und Kunst ausleuchten“, sagte er, und dies schule die Wahrnehmung. „Die Natur so zu sehen, ist beruhigend und fast schon therapeutisch“, so Lindh, eine Erfahrung, die er scherzhaft „einigen Personen zwangsverordnen würde.“
Andreas Komotzki, Jahrgang 1963, studierte Visuelle Kommunikation in Düsseldorf und lehrt seit 2006 an der Bergischen Universität Wuppertal. Seine Landschaftsbilder, meist auf Holz gedruckt, erinnern eher an Gemälde als an Fotografien. Sein besonderer Jahreszyklus ist noch bis zum 24. November zu sehen. Beide Ausstellungen sind donnerstags und freitags von 17 bis 20 Uhr sowie samstags und sonntags von 15 bis 17 Uhr geöffnet.
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WZ vom 30.10.2024
Text: Monika Werner-Staude
Foto: Andreas Fischer
Wuppertaler Künstler zeigt 52 Bilder, durch die man wieder über die Welt staunen kann
Wuppertal · Andreas Komotzki zeigt „2023 – ein Jahr in Landschaft, Licht und Farbe“ in der BKG und dem Neuen Kunstverein.
Es hat geschneit, nur einige wenige Äste sind ohne Flocken, halten mit gelben und dunkelbraunen Blättern dagegen. Auch sie werden bald fallen – der Winter naht. Mitnichten. Das malerische Foto auf der Einladungskarte entstand im Frühling. Es zeigt die vornehmlich prachtvoll weiße Baumblüte, so wie sie Andreas Komotzki 2023 in einem Wuppertaler Wald gesehen und intuitiv festgehalten hat. Eine von 52 mit der Digitalkamera gemalten Impressionen. Ab Sonntag präsentiert sie der Wuppertaler Künstler in zwei Räumen an der Hofaue, dem des Neuen Kunstvereins und dem der Bergischen Kunstgenossenschaft (BKG). Die Karte lädt zum Besuch.
„2023 – ein Jahr in Landschaft, Licht und Farbe“ ist eine Auswahl aus rund 35 000, an 365 Tagen des letzten Jahres gemachten Fotos – rasch, nicht gesucht, immer aus der Hand. Nicht er suche die Motive, sie suchen nach ihm, erzählt Andreas Komotzki. 35 000 Bilder reduziert auf 52, eines pro Woche, die der Künstler das erste Mal so und in Wuppertal zeigen will. Zuviel für einen Raum, aber nicht für zwei. Vor einem Jahr schlug er dem zweiten BKG-Vorsitzenden Frank N vor, die Hälfte im BKG-Atelier im dritten Stock des hinteren Trakts des Kolkmannhauses zu zeigen, die andere beim Neuen Kunstverein unten an der Straße, den berühmten Steinwurf entfernt. Der Zeitpunkt war gut, schließlich intensiviert die BKG gerade ihre Kooperationen, mit BBK (Bundesverband Bildender Künstlerinnen und Künstler), Gedok (Gemeinschaft deutscher und österreichischer Künstlerinnen und Kunstfreundinnen) und Städten. Auch mit dem Neuen Kunstverein ist mehr als Synchronisation geplant, die beiden mehr Besucher bringen soll. Etwa durch Abstimmung der Öffnungszeiten, die Komotzki nun vier Tage pro Woche an beiden Orten beschert (Donnerstag bis Sonntag). Es geht um mehr, um Konzeption und gemeinsame Projekte. Im Sommer 2025 soll es weitergehen: Studierende der Hochschule für Bildende Kunst an der Gewerbeschulstraße bespielen beider Räume.
Ein Künstler, der mit dem Fotoapparat malt
Er sei eher ein Maler, kein Fotograf, sagt der gebürtige Wuppertaler Andreas Komotzki (1963), der visuelle Kommunikation in Düsseldorf studiert, einen Lehrauftrag für Fotografie an der Bergischen Universität inne, mehrere Preise erhalten hat. Ein Künstler, der mit dem Fotoapparat malt, seit Jahren draußen, wie die Impressionisten. Wie ihnen gehe es ihm um Farbspiele, Eindrücke, Stimmungen, die er draußen einfange, „nicht präzise umgesetzt, aber nachvollziehbar“ – eben seine zeitgenössisch-moderne Position zur Natur. Keine plakativ-kitschige Frühling-Sommer-Herbst-Winter-Idylle.
In der Pandemie intensivierte sich dieses Tun, die Beobachtungen wurden jahreszeitlicher, fanden über Blüte und Grün hinaus. Ende 2022 fiel die Entscheidung, 2023 täglich die Landschaft, die ihm in der Kindheit so vertraut gewesen war, zu fotografieren. Sie bewusster und neu kennenzulernen. Der Wuppertaler Wald, namentlich Königshöhe, aber auch Aprath, Ronsdorf oder Scharpenacken seien sehr vielfältig, erzählt der Künstler. Besonders die alten Buchenwälder funktionieren, um eine Foto-Geschichte zu erzählen vom Werden und Vergehen, eine Analogie für vieles, auch für die Zeit, die sichtbar wird. Eine meditative Reihung im Gleichlauf. Sie atmet eine Ruhe, die das tägliche Draußensein hervorbringt. Sehen, Erfassen, Handeln ganz selbstverständlich vereint. Gerne ganz nah dran, unscharf, ein Ausschnitt, der nicht als Ausschnitt gedacht war. Bei jedem Bild weiß Komotzki noch, wo er es gemacht hat. Am Ende des Jahres war er so im Flow, dass er sich zwingen musste, aufzuhören und das Projekt zu beenden. Die anstrengendste Arbeit anzugehen: Auszusortieren, auch Lieblingsmotive, die nicht mehr passten, sich zu beschränken.
Passen muss auch die Hängung. Sie ist chronologisch und beginnt im Kunstverein mit Winter und Frühling, bei der BKG folgen Sommer und Herbst. Fast alle Bilder sind 40 mal 60 Zentimeter quer oder hochkant, digitale Siebdrucke auf Holz, die das Malerische der Werke unterstreichen. Nur zwei Aufnahmen sind größer abgezogen, dem hohen Raum des Kunstvereins geschuldet. Ursprünglich sollten alle Bilder größer sein, dann aber hätten sie zu eng gehangen, hätten nicht atmen können. So, wie es jetzt ist, ist es gut, spannend, „ist es das, was ich mir vorgestellt habe“, sagt er und schaut im BKG-Atelier auf das grüne Farbband der Bilder, das ins Braune übergeht so wie der Sommer in den Herbst. „Für mich sind diese Bilder das Staunen über die Welt, die man sonst nicht mehr bewusst sieht.“
Durch das Fenster schieben sich derweil die dreckig-kahlen Gebäude der Stadt ins Blickfeld – Kontrast und Bestätigung zugleich.
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WZ vom 10.10.2023
Text: Monika Werner-Staude
Foto: Oelbermann Fotografie / Florian Schmidt
In der Beschäftigung mit Landschaft das ausdrücken, was auf der Seele brennt
Der Ilex (europäische Stechpalme) ist ein immergrüner, strauchartig wachsender Baum. Für Andreas Komotzki ist er mehr: Seine Formen, die mal mehr rund, mal wild, mal eckig, mal zeltartig sind, wecken Kindheitserinnerungen. Abgesehen davon, dass die gezackten Blätter das Sonnenlicht wunderbar reflektieren, metallisch silbern schimmern. Ein Effekt, der sich steigern und modellieren lässt, wenn er im Gegenlicht und in Unschärfe festgehalten wird. „Ilex“ heißt eine Ausstellung mit acht Fotoarbeiten, die der Künstler seit Sonntag im Kunstraum Eckart zeigt.
Er sei eher ein Maler, kein Fotograf, sagt der gebürtige Wuppertaler (1963), der visuelle Kommunikation in Düsseldorf studiert, einen Lehrauftrag für Fotografie an der Bergischen Universität inne, mehrere Preise erhalten hat. Schon als junger Mensch habe er gemalt, sich vor allem für die klassische Moderne interessiert. Irgendwann habe er gespürt, nicht geduldig genug für Farbe, Leinwand und Pinsel zu sein. Das spontane Arbeiten bei der Fotografie dagegen kam ihm entgegen. Die digitale Technik drückt für ihn diese impulsive Seite der Fotografie am besten aus. Sie ermöglicht rasche und viele Abbildungen eines Motivs, das er seit einigen Jahren gern in den Wäldern Wuppertals, auf Königs- oder Kaiserhöhe, in Ronsdorf oder Aprath findet. Er gehe einfach raus, mache die Augen auf, entdecke, ohne zu suchen, die Motive springen ihn an. „Ein Wahnsinn, wie viel man an diesen vier Orten sehen kann.“ Zeitaufwendiger und anstrengender sei dagegen dann die Wahl der passenden Abbildung.
Ende der 1980er, Anfang der 90er Jahre begann Komotzki mit seinen Reihungen, deren Themen er nicht nur in der Natur fand. Er schuf Reisebilder, setzte sich mit Heim- und Fernweh auseinander, mit dem Unterwegs- und Fremd-Sein, der Wahrnehmung von Umwelt. Menschen dagegen kamen ihm bisher nicht „vor die Linse“. „Mit Landschaft kann ich alles ausdrücken, was mir auf der Seele brennt. Ich will mich selbst erfreuen und diese Freude weitergeben“, sagt er. In der erzwungenen Ruhe der Coronakrise, die Stille, Muße und Konzentration förderte, intensivierte sich seine fotografische Landschaftsmalerei. Komotzkis erste Aufnahmen im Mai/Juni 2020 hielten naturgemäß die Blütezeit fest, später kam der Ilex hinzu.
Bilder im Zwischenbereich von Fotografie und Malerei
Stets nähert er sich dem Motiv, erfasst es „in latenter Unschärfe, um es in den Griff zu bekommen“, es zu „malen“. Scharfe Fotos gibt es für Komotzki genug, sie drücken nicht das aus, was er sieht, was ihn interessiert. Um dieses Malerische zu intensivieren, bringt er seine Fotos als digitalen Siebdruck auf grundiertes Holz auf, ohne Rahmen, ohne Spiegelungen, aber mit Maserungen, die durch die Behandlung des Untergrundes mit dem Pinsel herrühren. Beim nahen Betrachten der Bilder verschwimmen die Pflanzen zu abstrakten Strukturen, die wie mit dem Pinsel erschaffen wurden.
Insgesamt drei Werkgrupppen, „Nachdenken über Blüthe“, „Ilex“ und „April“ sind so entstanden. „Nachdenken über Blüthe“ wurde im Juni im Kunstraum Eckart gezeigt, wo der Arrenberger schon viele Ausstellungen bestritten hat. Wo er sich kümmert, wo er sein „zweites Atelier“ hat, ganz in der Nähe seiner Wohnung. „April“ soll im April 2024 folgen, der Name greift das Grün des Frühlings, die erste Farbe des Jahres auf. „Ilex“ widmet sich der gleichnamigen Pflanze, die auf fast allen der acht präsentierten Bilder zu sehen ist, es sei „auratisch, wie sich die Lichtschleier magnetisch auf das Motiv legen“, schwärmt der Künstler und erzählt, dass die Arbeit an den drei Werkgruppen Erinnerungen an Kindheitswahrnehmungen, an das Staunen über die Welt, ihre Schönheit, Licht und Poesie hervorbrachte. Die Schönheit der Natur mit ihrem Licht, ihrer Stille sei – in bewusstem Kontrast zur Düsternis des Alltags – ein Angebot an den Betrachter, in eine magische Welt einzutauchen.
Das gilt auch für sein Jahresprojekt „Ein Jahr in Landschaft, Licht und Farbe“, in das die drei Werkreihen münden. Im Januar hat der Fotokünstler losgelegt, macht jeden Tag ein Foto, wählt eines pro Woche aus, das er zusammen mit 51 weiteren Wochenfotos Ende 2024 kompakt präsentieren will, aktuell im Netz schon auszugsweise zeigt. Nachdem er selbst die karge Zeit des Jahresanfangs gemeistert hat, freut er sich gerade auf den farbigen Herbst. Er merkt, dass sich das Projekt verändert, erneuert, sein eigenes Verständnis fördert. „Ilex“ mit seinen acht 75 mal 50 und 120 mal 180 Zentimeter großen Bildern gibt einen Eindruck davon. Die bodentiefen Fenster des White Cube Eckart erlauben schon von draußen einen Vorgeschmack.
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Roland Mönig (l) und Gerhard Finckh in der Ausstellung „Mehr:Wert”. Das Bild „NOT-17-2006” von Frank Nitsche hängt im Raum 8, der „Nähe und Ferne” thematisiert.
WZ vom 27.05.2020
Text: Monika Werner-Staude
Foto: Stefan Fries
Ausstellung würdigt Kunstwerkebestand, den die Stadtsparkasse in gut 50 Jahren zusammengetragen hat
„Mehr:Wert” führt zwei Sammlungen im Von der Heydt-Museum zusammen
Der Blick ist streitlustig, verdoppelt sich in der Nähe, der angespannte Körper steckt im giftgrünen Bikini, der einen kindlichen Kontrapunkt zu ihm setzt. Heike Kathi Baretts drei Meter hohes Bild eines heranwachsenden Mädchens empfängt den Besucher im ersten Raum der Ausstellung. Diese bringt bewußt Kunstwerke zusammen, die zwei verschiedenen Sammlungen angehören. Sie treten in einen Dialog, der in mehrfacher Hinsicht mehr Wert erzeugen soll. „Mehr:Wert” lädt ab heute in den ersten Stock des Von der Heydt-Museums.
Seit gut 50 Jahren sammelt die Stadtsparkasse Wuppertal Kunst, um „die Lebensverhältnisse der Menschen in der Stadt zu verbessern”, erklärt Gunther Wölfges. Fast 3000 Werke von fast 700 Kunstschaffenden aus der Region kamen so zusammen – die meisten davon hängen in den Räumen des Geldinstituts. Vor zwei Jahren kam der Vorstandsvorsitzende auf die Idee, anlässlich des Jubiläums die Sammlung mit der des Von der Heydt-Museums in einer Ausstellung zusammenzubringen.
Mit welchem Ziel haben die Häuser Kunst erworben?
Der „faszinierende Vorschlag” zog für den damaligen Direktor des Hauses, Gerhard Finckh, umfangreiche Sichtungsarbeiten und die Klärung der Sammlungsintentionen beider Häuser (Wie hat das Museum in den letzten 50 Jahren gesammelt? Welchen Kern hat die Sparkassen-Sammlung?) nach sich. Danach war klar, dass er in der Schau die Arbeiten zu bestimmten Themen in einen Dialog treten lassen wollte. Der Besucher sollte über die Kunst, die das Thema materiell greifbar macht, zur Auseinandersetzung mit dem Thema selbst gebracht werden. Zugleich sollten Zusammenhänge oder Gegensätze zwischen den Arbeiten entstehen, die diese wiederum anders wirken lassen.
155 Kunstwerke – 44 Gemälde, 27 Fotografien und sechs Skulpturen – wurden ausgewählt, beide Sammlungen sind jeweils zur Hälfte beteiligt. „Die größeren Arbeiten stammen meist aus dem Besitz des Museums”, weiß Roland Mönig, der seit April das Haus am Turmhof leitet. Die Ausstellung erhielt der „Neue“Vals „Geschenk”, das er zusammen mit Finckh in den acht Räumen des ersten Stockwerks hängte. Nur eines, Christian von Grumbkows fünf Meter hohes Bild „Red Pain”, überfordert die Wände. Der Flammendste Vorbote der Ausstellung schmückt nun den Treppenaufgang.
Vorbote auch dafür, dass das durch die Coronakrise unterbrochene Leben in das Museum zurückkehrt. Nach Hansjörg Voths „Zu Lande und zu Wasser-Werkschau, die am 19. Mai endlich im Mezzanin öffnete, erwacht am heutigen Dienstag das erste Stockwerk, werden am 16. Juni dann auch die Stars der Museumssammlung im Obergeschoss in der Ausstellung „An die Schönheit” gewürdigt. „Das Museum wird schrittweise aus dem Dornröschenschlaf geholt”, freut sich Mönig und verspricht, dass die Ausstellungen auch weiterhin digital zu den Menschengebracht werden sollen – indem die Aktivitäten in den sozialen Medien fortgesetzt und virtuelle Rundgänge angeboten werden.
In Museen wie Sparkassen treffen Menschen aufeinander, öffnen sich oder bleiben verschlossen. Wie unterschiedlich sich Menschen begegnen, sich zeigen, darum geht es bei „Menschen und Masken” (Raum 1), wo z.B. Peter Kowalds ¡„Global Village” (Titelbild auch des Ausstellungskatalogs) neben Jean Dubuffets „Landschaftsgemisch” und Luceberts „Die vielen Alten” hängt. „Rot sehen” heißt es im zweiten Raum, der die allgemeine Wahrnehmung anhand einer Farbe beispielhaft vorführt. Eine Farbe, die selbst Gegensätze wie Gefahr und Liebe in sich trägt. Viele Künstler beschäftigten sich mit der Wirkung dieser Farbe – Ulrich Erben genauso wie Joseph Marioni oder Lucio Fontana.
Hängung erlaubt Dialog, der die Arbeiten selbst verändert
Andreas Komotzkis Fotoarbeit „Slow Day” und Gerhard Richters „Scheich mit Frau” eint die verwischte Darstellung einer Aufnahme, „die zum genauen Hinsehen führt”, so Finckh. Und damit zur intensiven Auseinandersetzung, zu der Raum 3, „Unschärferelationen”, einlädt.
Der Frage, wie der Mensch einen Raum erlebt, gehen nicht nur Architekten nach. Im vierten Raum „Architektur” werden etwa Antworten von Erwin Heerich, der Gebäude für die Museumsinsel Hombroich entwarf, Oskar Schlemmers „Zwölfergruppe mit Interieur” oder Corinne Wasmuths „Calafate” gegenübergestellt.
Geometrische Formen zeigt auch „Maß, Zahl, Geometrie” (Raum 7), wo James Rogers Punktend ebenso zu sehen ist wie Lazló Moholy-Nagys „QXX”.
Um die Beschäftigung mit Naturgewalten und um ihre (Un-)Beherrschbarkeit geht es bei „Die vier Elemente” (Raum 5), wo beispielsweise Günther Wieselers verspieltes Atemobjekt „New Species” und Elgar Essers „Le Bac de Deauville et le Bateau”, das dieser aus einer historischen Postkarte schuf, in einen, interessante Assoziationen weckenden, Dialog treten.
Bei „Frei schwingende Formen” (Raum 6) geht es um Kunst zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion, um Neo Rauch genauso wie Jürgen Grölle. „Nähe und Ferne” (Raum 8) behandelt ein nicht nur in Coronakrisen-Zeiten unter die Haut gehendes Sujet, das von sehnsuchtsvoll bis ironisierend umgesetzt wurde. Und Boromir Ecker mit Corinne Wasmuth oder Tal R. zusammenführt.
Alles in allem ist die Ausstellung eben ein Mehrwert für beide Sammlungen genauso wie für den Besucher.
Ausstellung vom 26. Mai bis 2. August 2020 im Von der Heydt-Museum, Turmhof 8
DI bis FR 14 bis 18 Uhr, DO 14 bis 20 Uhr, SA/SO, Feiertage (außer Pfingstmontag) 11 bis 18 Uhr.
Es ist ein Katalog erhältlich (20 Euro)
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Solinger Tageblatt, Solingen, 12. 02. 2016
Text: Jutta Schreiber-Lenz
Foto: Christian Beier
Künstler fängt tagträumerische Momente mit der Kamera ein
Ab Sonntag stellt Andreas Komotzki seine Fotos in der Galerie SK aus. Die Motive sind nur schemenhaft zu erkennen – wichtiger ist das Gefühl.
Regentropfen auf einer Scheibe: Der Blick des Betrachters erkennt das, was dahinter liegt, nur schemenhaft. Sind es die Konturen von Häusern? Sie bleiben verwaschen: Es ist nicht wichtig. Andreas Komotzki fängt mit seinen fotografischen Arbeiten die „Zwischenmomente im Leben“ ein. Es geht ihm nicht um den scharfen Blick aus dem Fenster, sondern um den nach innen. „Meine Bilder sind Emotion, Träumerei“, sagt der 52-jährige Künstler, der sein Atelier in Wuppertal-Arrenberg hat.
Er sehe sich im Grunde in der Nachfolge impressionistischer Maler, deren Fokus auf Lichtverhältnissen und Atmosphäre lag. Der zeitverlorene Blick ins Ungewisse: Diesen tagträumerischen Moment, den wohl jeder kennt, aber im modernen hektischen Alltag kaum zulassen kann, möchte Komotzki einfangen. Das Motiv sei beliebig. Das Gefühl sei entscheidend. Mitunter entstehen so auch spontane Aufnahmen „aus der Hüfte“, ohne Stativ. Die fünf großformatigen Arbeiten an der langen Wand im Atelier SK der Güterhallen sind ein „Werkblock“, extra für die Ausstellung entstanden, die am Sonntag beginnt und bis zum 13. März zu sehen ist. Dafür hat er das erste Mal sein „Werkzeug“ gewechselt: Die Arbeiten sind digital aufgenommen und erstmalig in Farbe.
Aus über 70 „Slow-Day“-Fotografien präsentiert er in der Galerie SK eine Auswahl: die meisten als „Skizze“ in kleinem Format. Zuvor, beispielsweise in der Serie „Home“, hat Komotzki ausschließlich in Schwarz-Weiß gearbeitet. Der Faktor „Zeit“ fasziniert ihn: Augenblicke einer Lebensreise.
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Rheinische Post, Solingen, 13. 02. 2016
Text: Güdny Schneider-Mombaur
Foto: Stephan Köhlen
Das Verhältnis von Subjekt und Welt
Der Fotograf Andreas Komotzki zeigt in der Galerie SK in den Güterhallen Fensterbilder von subtiler Ästhetik.
Der Bildzyklus „Slow Day“ beschäftigt Andreas Komotzki seit 2013. „Ich schaue und fotografiere seit drei Jahren vorrangig auf und durch die Fensterscheiben meines Ateliers in Wuppertal“, so erläutert der Fotograf sein Arbeitskonzept. Doch nicht der Ort, die Stadtlandschaft im Außenraum, ist Bildmotiv. Komotzki richtet seine Aufmerksamkeit auf das in der Alltagshektik oft Übersehene, Unspektakuläre, Unsichtbare. Er blickt auf die Oberfläche seines Atelierfensters und fotografiert die atmosphärischen Prozesse, die sich je nach Tageszeit, Wetterbedingungen und Lichtgegebenheiten auf dem Glas niederschlagen.
Die Schärfe liegt dabei auf der transparenten Scheibe. Jeder Regentropfen, jeder Kratzer, jedes Staubkorn auf dem Glas hält die Linse der Kamera fest. Der Durchblick auf den dahinter liegenden Außenraum verliert an Relevanz, bleibt unbestimmt, unscharf, malerisch verschwommen. So entstehen emotional geprägte Stimmungsbilder, poetische Momentaufnahmen mit einem anscheinend zeitvergessenen Blick – zum Beispiel auf verregnete Fensterscheiben.
Die großformatigen Fotografien nehmen eine gesamte Wand der Galerie SK in den Güterhallen ein. „Ich liebe das Serielle,“ betont Komotzki. „Das Motiv ist in allen Regenbildern gleich, doch die Menge der Regentropfen und der Grad der Vernebelung, die sich auf der Scheibe absetzt, steigt von einer Ansicht zur nächsten, bis ein fast abstrakter Bildmodus entsteht.“ Der Betrachter spürt das Verstreichen der Zeit.
Komotzkis fotografischer Blick hat Bezüge zum impressionistischen Sehen. Nicht das gegenständliche Motiv ist bedeutungsvoll, sondern die momentane atmosphärische, sich ständig ändernde Erscheinung der Welt auf der Glasscheibe. Entsprechend nähert er seine Fotografien der Malerei an. Um die Leuchtkraft der Farben zu erhalten, verwendet er Pigmentdrucke auf hochwertigem Büttenpapier. Kleinformatige „Bild-Skizzen“, wie er sie nennt, auf Passepartout-Karton gedruckt, wechseln mit großformatigen Arbeiten ab, die durch ihre minimalistische Rahmung hinter Glas den ursprünglichen Eindruck des Fensters für den Betrachter simulieren.
Den digitalen Farbfotografien, die in der Ausstellung gezeigt werden, ging die analoge Schwarz-Weiß- Fotoserie „Home“ voraus. Hier ließ Komotzki die Welt mit Abstand an der Windschutzscheibe seines Autos vorbeiziehen. „Diese Reisebilder sind aufgeladen mit emotionalen Stimmungen von Heim- und Fernweh und führen“, so erklärt der Künstler,„direkt zum Grundthema der aktuellen Ausstellung: dem Verhältnis von Subjekt und Welt.“
Andreas Komotzki, 1963 geboren, studierte visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Düsseldorf und hat seit 2006 einen Lehrauftrag für Fotografie an der Bergischen Universität Wuppertal im Fachbereich Architektur.
2011/12 leitete er das interdisziplinäre Wuppertaler Stadtteilprojekt „Arrenberger Ansichten“, finanziert vom Land NRW. Dort am Arrenberg in Elberfeld befindet sich auch sein Atelier.
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Foto: Bangert
FOTOGRAFISCHES
Andreas Komotzki zeigt fotografische Arbeiten im Best Kunstraum
Unter dem Titel „home“ präsentiert Andreas Komotzki seit gestern seine aktuellen Arbeiten im Best Kunstraum, Ruhrtalstr. 415.
‚Unterwegs und doch zu Hause.‘ Diesen paradoxen Eindruck vermitteln die aktuellen Fotografien von Andreas Komotzki, die im Best Kunstraum dem breiten Publikum präsentiert werden. Der Wuppertaler Fotograf hat ihnen den Titel „das Heim” verliehen, was auf den ersten Blick irritierend ist. Denn zu sehen sind weder heimelig anmutende Innenräume nebst dazugehörigen Bewohnern, sondern Landschaften, Straßen, Häuser oder Silhouetten von Hotels – aus diesem Motivbestand hat Komotzki für seine aktuellen Werke geschöpft.
Auffällig dabei ist, dass die einzelnen Fotografien offensichtlich entstanden sind, während sich der Künstler mit seiner Kamera selbst fortbewegt hat. Das Ergebnis sind Verwischungen, die darauf hindeuten, dass die Aufnahmen unterwegs und keineswegs ‚zu Hause‘ entstanden sind. Es werden Landstriche gezeigt, die keinerlei charakteristische Merkmale vorweisen und eigentlich auf den Betrachter vollkommen eigenschaftslos wirken. „Denn Andreas Komotzki interessiert sich für transitorische Räume, die wir nur sehen, um sie zu durchfahren – und für die Empfindungen, die diese Räume in uns auslösen”, so Susanne Buckesfeld, Kunstmuseum Ahlen, im Katalog über den Künstler.
Musikalisch begleitet wurde die Vernissage von Uwe Juchum und Frank Wilke, die mit Saxophon und Trompete die Gäste unterhielten.
Kunstinteressierte können die Ausstellung während der Öffnungszeiten mittwochs und donnerstags von 16 – 19 Uhr oder nach Vereinbarung besuchen.
HOME
Fotografische Arbeiten
19. 3. – 22. 4. 2010
Abbildung: home #28, Ausschnitt
Pigmentdruck auf Fotobütten
Best Kunstraum
Ruhrtalstr.415
45219 Essen
Tel. 02054/86428
https://www.peterstohrer.com/kurator/
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Bushaltestellenfoto: Wolf Sondermann
Plakatgestaltung: Peter Klassen
WZ vom 10.09.2009
Text: Valeska von Dolega
Janthur und Komotzki stellen am Islandufer aus
Wuppertal. Tage gibt es, die kann man nicht verbessern, weil sie sowieso schon zu schön sind, um wahr zu sein. Die Sonne scheint, aber es ist nicht zu heiß, denn Baumkronen und gelegentliche Wolken filtern sie auf angenehme Temperaturen herunter – und auch sonst ist alles bestens.
„Home 3“ und „Home 19“ vermitteln Eindrücke solcher Zustände. Beide Fotos stammen von Andreas Komotzki und sind zusammen mit Werken von Georg Janthur unter dem Titel „Heimat hinter Horizonten“ in der Stadtsparkasse am Islandufer zu sehen.
Die Bilder der Wuppertaler Künstler erzählen von der Ferne, Vertrautheit, Unendlichkeit und Sehnsucht, befand Gisela Elbracht-Iglhaut bei der Vernissage in ihrer Einführung. Stille Einsamkeit in Schwarz-Weiß, festgehalten in Komotzkis feinen Fotos, findet sich neben der bunten Farbigkeit, der zwar mit schnellem, dabei aber präzisen Pinselstrichs Janthurs gemalten Bilder, denen Elbracht-Iglhaut „enorme geistige Spannung“ beschied. „Die Farbe lebt, die Landschaft atmet.“
Komotzki scheint seine Kamera stets bei sich zu haben, um auch aus fahrenden Zügen oder Autos fotografieren zu können. Gezeigt werden namenlose Orte, bei denen jeder Augenblick in eine statische Ewigkeit überführt wird. Oft sind das Baumwipfel und Himmel, manchmal sich im Nirgendwo der Ewigkeit befindende Hausdächer oder Meeresimpressionen. Ebenso wie in Janthurs Bildern tauchen Menschen nur vereinzelt auf, die Sehnsucht nach Natur scheint unendlich zu sein, davon berichten seine Bildräume mit kontemplativer Stärke, die Projektionsfläche eigener Emotionalitäten ist.
„Diese Arbeiten sind ein meditatives Erlebnis der eigenen Welt“, sagte Elbracht-Iglhaut. „Die Landschaft ist eine feste Größe in der Gegenwartskunst.“ Ob der Titel wirklich so paradox ist, wie er klingt (Findet sich Heimat nicht vor dem Horizont?) oder sie überall möglich ist, wo man sich heimisch fühlt, darüber können Besucher nun bis zum 30. Oktober beim Betrachten der Schau sinnieren.
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Schwäbische Zeitung, 28. 10. 2003
Text + Foto: Jürgen T. Widmer
ULM – Mit Meine Welt – Deine Welt präsentiert das Edwin Scharff-Haus in Neu-Ulm eine Gemeinschaftsausstellung im besten Wortsinn. Denn die Werke von Anke Eilergerhard und Andreas Komotzki entwickeln durch den reizvollen Kontrast, den sie in der Gegenüberstellung entfalten, noch einmal Wirkung über ihre eigentlichen Stärken hinaus.
Es hat halt jeder seine eigene „Weltanschauung”. Dies gilt in diesem Fall ganz wörtlich. Denn Komotzki und Eilergerhard, beide Jahrgang 1963 und in Wuppertal geboren, sehen die Welt sowohl aus verschiedenen Blickwinkeln als auch mit einem unterschiedlichen Fokus an.
Eilergerhard richtet ihren Blick auf Privatwelten. Gehäkelte Topflappen werden in Polyesterharz gegossen und so zu Kunstobjekten, deren Farb- und Flächenwirkung an konkrete Malerei erinnern. Wurstscheiben vergrößert sie bis zur Unkenntlichkeit.
Mit fast schon akribischem Fleiß malt sie bunte Sitzkissen ab, Häkelmasche für Häkelmasche, die so zu Bildern von pulsierender Farbigkeit werden. Das Alltägliche, oft gering Geschätzte, entwickelt so neuen Glanz. Eilergerhard richtet Ihren Blick auf eine Idylle, die im Verschwinden scheint. Mit dem Topflappen konserviert sie ein Stück heile Welt, stößt dabei gleichzeitig die konkrete Malerei vom Sockel, ohne sie geringzuachten.
Andreas Komotzki richtet seinen Blick bewusst auf den öffentlichen Raum. Gegen sie Farbigkeit von Eilergerhards Bildern setzt er eine auf den ersten Blick strenge Schwarz-Weiß-Ästhetik, die allerdings bei genauerem Hinsehen hintergründigen Humor und eine Portion Schlitzohrigkeit aufweist. So spielt Komotzki mit Piktogrammen von Verkehrsschildern, die er verändert oder vergrößert.
In Leuchtkästen präsentiert er Schwarz-Weiß-Fotos von Bushaltestellen. Stets aus der gleichen Perspektive aufgenommen, wirken die aufgeräumten und menschenleeren Wartehäuschen wie Inseln der Ruhe im Verkehrsgetriebe, sind schäbige Kathedralen der Besinnung auf der Busfahrt nach Nirgendwo. Diese Ausstrahlung verhalf ihnen bereits zu einer Ausstellung in der Kirche St. Peter und Paul, Karlsruhe.
Gefrorene Zeit
So gegensätzlich Komotzki und Eilergerhards Arbeiten wirken, so haben sie doch etwas gemeinsam: Sie versuchen zu konservieren, was nicht konvertierbar ist. Wenn Komotzki aus dem fahrenden Auto heraus Landschaften fotografiert, scheint dies ein Versuch, die Zeit einzufrieren. Auch Eilergerhards Arbeiten wollen nicht nur nostalgisch an verschwimmende Gegenstände erinnern, sondern versuchen auch, die Gedanken und Gefühle jener, die sie mit viel Liebe gehäkelt haben, zu bewahren.
Die Ausstellung führt die Ansätze beider Künstler in der Mitte zusammen. Dort hängen vergrößerte Radarfallen-Fotos von Komotzki. Auch sie sind Momentaufnahmen, eingefrorene Augenblicke. Gleichzeitig werden die beiden Welten hier zu einer: Im öffentlichen Raum ist das Auto ein privater Ort. Letztendlich ist es EINE Welt, die Eilergerhard und Komotzki vielschichtig kommentieren.
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Neu-Ulmer Zeitung, 24. 10. 2003
Text: Roland Mayer
Foto: Rose Böttcher
Meine oder Deine Welt
Ausstellung im Scharff-Haus
Um private und öffentliche Räume und ihre künstlerische Umsetzung geht es bei der Präsentation zeitgenössischer Arbeiten von Anke Eilergerhard und Andreas Komotzki im Edwin Scharff-Museum an der Donau. Eine von Neu-Ulms Museumsdirektorin Dr. Helga Gutbrod und ihrer neuen Stellvertreterin Karin Drexler betreute Ausstellung, die dem Besucher ab heute, 19h, spannend verästelte Erfahrungen beschert.
Schon der Titel der Ausstellung – „Meine Welt – Deine Welt”, führt auf die Fährte der Dualität, die diese Doppelausstellung unterm Dach des Scharff-Ausstellungsraums innewohnt. Zwei Künstler, zwei Ansätze, die vom Subjekt aufs Objekt zu verweisen scheinen sich in diesem räumlichen Wechselspiel zwar mühelos voneinander abgrenzen, aber überhaupt nicht im Wege stehen. Die 40-jährige Berlinerin Anke Eilergerhard lasst sich bei ihren nostalgisch verfremdeten und gleichzeitig Sehnsüchte weckenden Objekten und Bildern von der heimeligen Dingwelt aus Großmutters Zeiten verführen: Topflappen, Sitzkissen, Puppenhaar oder Torten – ihr Arsenal rückt das Private in ästhetische, aber keinesfalls kitschige, neue Zusammenhänge. Dem gleichaltrigen Andreas Komotzki aus Wuppertal hat es der öffentliche Raum angetan. Seine pfiffigen, knapp überlebensgroßen Piktogramme, Sprühbilder und Fotoarbeiten sind Wegweiser und Zeichen der Zeit, die die Verkehrswelt ebenso mit einbinden wie sie – in der Rückführung aufs Subjekt – etwa bei der zwölfteiligen, Beckett'schen Station einer Bushalte – Existenzialistisches im eindrucksvollen Wandzyklus verarbeitet. Drei seiner karikaturhaft wirkenden, überlebensgroß ins Dreidimensionale adaptierten Verkehrsschildpiktogramme sollen bald in Neu-Ulms City die Suche nach Orientierung mit Schmuntzeleinheiten unterstützen. Die weichen Schauer der Farbräume angesichts Eilergerhards in Polyesterblöcke eingeschweißten Topflappen-Objekten könnte vielleicht ein Gang (zu Mavigniers konkreter Plakat-Kunst) ins Ulmer Museum zusätzlich erläutern. Komotzki „fliegender”, gleichwohl fest installierter Foto-Tiefgang schaut sich teilweise wie ein Movie, dessen Sequenzen bis ins Tryptichon münden. In diesem Sinne bereitet diese erste Ausstellung im Scharff-Haus, nach einem Jahr Pause, große Freude.
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Jesteburg 2002